Therapien – Operative Therapie

Prof. Dr. med. Michael Buchfelder
Prof. Dr. med. Jürgen Honegger

Die Indikation zur Operation eines Hypophysen-Adenoms wird üblicherweise beim Vorliegen eines Chiasma-Syndroms (s. Glossar), einer Hypophysenvorderlappen-Insuffizienz oder eines Hormonexzesses gestellt, es sei denn es handelt sich um ein Prolaktinom (Prolaktin-sezernierendes Hypophysen-Adenom). Die  Akromegalie wird durch ein hormonaktives Hypophysenadenom mit vermehrter und autonomer Sekretion von Wachstumshormon [GH]) verursacht (Abbildung 6 & 7A). Die unbehandelte Akromegalie führt auf lange Sicht zu Symptomen und Begleiterkrankungen, die die Lebensqualität beeinträchtigen und die Sterblichkeit im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöhen. Deshalb besteht in der Regel hier eine Operationsindikation, sofern der Allgemeinzustand des Patienten einen operativen Eingriff zulässt, insbesondere wenn die Chance einer radikalen Tumorentfernung besteht.

Heute werden im Wesentlichen 2 operative Verfahren verwendet, über die die Mehrzahl der Hypophysenadenome vollständig entfernt werden kann. Dies ist einmal die Operation über einen transsphenoidalen Zugangsweg  (s. Abbildungen 11) und andererseits die Operation über einen transkraniellen Zugangsweg (s. Glossar). Die Mortalität bei derartigen Eingriffen liegt in größeren aktuellen Serien mikrochirurgisch erfahrener Operateure deutlich unter 0,5%. Schwerwiegende Komplikationen wie Meningitis (Hirnhautentzündung), Liquorfistel (Austritt von Hirnwasser) und Nachblutung werden jeweils in weniger als 1 % der Fälle angegeben. Verletzungen der großen Hirnversorgenden Arterien und die Entwicklung eines permanenten Diabetes insipidus (stark erhöhte Trinkmenge und Urinmenge durch Ausfall des antidiuretischen [die Wasser-Ausscheidung hemmenden] Hormons) oder einer substitutionsbedürftigen kompletten Hypophysenvorderlappen-Insuffizienz gehören zu den absoluten Raritäten.

Der transsphenoidale (transnasale) Zugangsweg ist das vorwiegend verwendete operative Verfahren und kann bei über 95% der Patienten mit Akromegalie durchgeführt werden. Die transnasale Operation wird heute über einen sehr kleinen und Gewebe-schonenden Zugang durchgeführt. Dabei können mehrerlei Varianten durchgeführt werden.  Heute verzichtet man meist auf die herkömmliche aufwändige Präparation des Nasenseptums und bringt den Schleimhautschnitt erst in der Tiefe der Nase am Übergang zur Keilbeinhöhle an. Bei dieser minimal-invasiven Variante haben die Patienten postoperativ in der Regel sehr wenige Beschwerden von Seiten des nasalen Zuganges.

Die transsphenoidale Operation bietet sich für alle intraselläre Tumoren an (s. Abbildungen 1 bis 3). Hypophysenadenome dehnen sich typischerweise aber auch nach extrasellär aus, wobei häufig eine supraselläre Wachstumsrichtung ins Schädelinnere (mit oder ohne Chiasmakompression) vorliegt. Die transnasale Operation ist geeignet für Adenome, bei denen eine breite Verbindung zwischen dem intrasellären und dem extrasellären Anteil besteht.

Das Prinzip der Operation geht auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, wenngleich ein Durchbruch der Methode und deren allgemeine Akzeptanz erst mit der Einführung der mikrochirurgischen Operationstechnik in den 70er Jahren gelang. Mit entsprechender Erfahrung kann man das weichere und farblich unterschiedliche Gewebe des Hypophysen-Adenoms von der gelblicheren und festeren normalen Hypophyse, die eine typische Vaskularisierungs-Struktur (Blutversorgung) aufweist, unterscheiden und den Tumor dadurch selektiv entfernen. Bei vollständiger Adenom-Entfernung kommt es auch innerhalb weniger Stunden zur Korrektur der erhöhten GH-Sekretion. Durch die selektive Operationstechnik kann die Funktion der Hypophyse in aller Regel erhalten werden.

Das Hypophysen-Adenom kann als einziger gutartiger endokriner Tumor invasiv (infiltrativ) in die umgebenden anatomischen Strukturen einwachsen. Etwa 1/3 der Hypophysenadenome bei Akromegalie weisen ein invasives Wachstumsverhalten auf. Durch die ausgeklügelte und stetig weiterentwickelte Operationstechnik ist es auch möglich, invasiv wachsende Tumoren radikal zu entfernen, z. B. durch Abfräsen infiltrierter Knochenanteile aus dem Clivus (hinterer Teil der Sella turcica, s. Abbildungen 1 bis 3) oder Eröffnen der medialen (inneren) Wand des Sinus cavernosus (s. Glossar) im Falle eines parasellären invasiven Wachstums.

Für eine vollständige Remission der Akromegalie müssen heute folgende endokrinologische Kriterien erfüllt werden:
1. Ein postoperativer basaler Wachstumshormon-Spiegel <2,5 ng/ml
2. Suppression von Wachstumshormon unter 1 ng/ml im oralen Glucose-Toleranztest
3. Normalisierung des Alter- und Geschlechts- spezifischen IGF-1 Spiegels
Bei Erfüllen dieser Kriterien ist der operative Eingriff in aller Regel kurativ. Dennoch sind lebenslange Nachbeobachtungen erforderlich, um eventuelle Rezidive frühzeitig zu erkennen.

In der Literatur werden Normalisierungen der Wachstumshormone bei etwa 60-100% der Mikroadenome (<10 mm) und 20-70% der Makroadenome (>10 mm) bei Akromegalie angegeben, wobei die Ergebnisse natürlich von der Erfahrung des Operateurs und der Auswahl der Patienten abhängen. Die Remissionsraten sind reduziert bei Adenomen mit invasivem Wachstumsverhalten und bei sehr hohen präoperativen Wachstumshormon-Spiegeln (Nomikos et al 2005).  Die Auswertung des Deutschen Akromegalie-Registers ergab eine langfristige Remissionsrate bei 38,8% der Patienten durch die Operation alleine. In Zentren mit großer Erfahrung in der Hypophysenchirurgie lag die Remissionsrate bei 49,8% (Schöfl et al 2013).

Eine neue technische Entwicklung ist die intraoperative Resektionskontrolle mit dem Kernspintomogramm insbesondere bei großen suprasellären Tumoren. Beim Nachweis von Resttumor mit diesem Verfahren kann gezielt weiter operiert werden. Dadurch kann in einer Reihe von Fällen eine noch radikalere Tumorentfernung durchgeführt werden und dem Patienten eventuell eine zweite Operation erspart werden.

Mit dem Endoskop werden Einblicke auch in die seitlichen Bereiche der Keilbeinhöhle und gar in den Sinus cavernosus, aber auch nach suprasellär möglich. Deshalb verwenden heute viele Neurochirurgen das Endoskop als ergänzende Sichthilfe bei der mikrochirurgischen Operation. Die rein endoskopische Technik bedarf aber noch einer Evaluation im Hinblick auf endokrinologische Operationsergebnisse bei Hormon-sezernierenden Tumoren.

Die Neuronavigation (Technik bei der während der Operation die Lage der Instrumente in ein vorher gewonnenes Kernspinn-Bild eingeblendet werden kann) bietet sich auch bei Schädelbasistumoren als Alternative zur Durchleuchtung mit dem Bildwandler an und ist besonders bei anatomischen Varianten, Re-Operationen und aus anderen Gründen unübersichtlichen Verhältnissen außerordentlich hilfreich.

Literatur:
Nomikos P, Buchfelder M, Fahlbusch R: The outcome of surgery in 668 patients with acromegaly using current criteria of biochemical „cure“. European Journal of Endocrinology (2005) 152: 379-387
Schöfl C, Franz H, Grussendorf M, Honegger J, Jaursch-Hancke C, Mayr B, Schopohl J and the participants of the German Acromegaly Register: Long-term outcome in patients with acromegaly:analysis of 1344 patients from the German Acromegaly Register. European Journal of Endocrinology (2013) 168:39-47

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